Badische Zeitung zum Tag der offenen Tür am 02.04.2014 von Anja Bochtler

Kleinkindbetreuung wächst kräftig

2004 machte sich Simone Reich-Disch als Tagesmutter selbstständig / "Klara-Kinder" nun mit fünf Gruppen an drei Standorten.

STÜHLINGER. Drinnen schminkt die Erzieherin Heike Witt die dreijährige Marla und Joris (eineinhalb Jahre), draußen hat Ben (6) Grashalme in einem Becher mit Sand drapiert: Beim "Tag der offenen Tür" zum zehnjährigen Bestehen der "Klara-Kinder" mit inzwischen fünf Krippengruppen an drei Standorten ist viel los. Auch am neuen Standort in der Rennerstraße 2, wo im Herbst zwei Gruppen einzogen. Angefangen hatte einst alles klein und ein bisschen zufällig, als sich die WG der heutigen "Klara-Kinder"-Chefin Simone Reich-Disch (37) auflöste.

So eine Topfpflanze hat nicht jeder: Ben schenkt seiner Mutter Monika Erler sein Sand-Gras-Kunstwerk. Er ist längst kein "Klara-Kind" mehr. Doch früher war Ben in einer der zwei Klara-Kinder-Gruppen an der Egonstraße. Dort sowie an der Rennerstraße und an der Guntramstraße werden in insgesamt fünf Gruppen 50 Kinder unter drei Jahren betreut (siehe Info-Box). "Liebevoll und wahnsinnig familiär", so beschreibt Monika Erler, wie sie die Atmosphäre empfand. Es war die Zeit, als ihr Mann starb und sie früher als geplant wieder arbeiten musste. Die Erzieherinnen fingen sie und Ben auf, und begannen ihren eigenen Arbeitstag für einige Monate morgens sogar 20 Minuten früher, damit sie pünktlich zur Arbeit kam. Ähnlich positiv äußert sich Katharina Tiemeyer, die Mutter von Joris. Durch die vierwöchige Eingewöhnungszeit, in der ein Elternteil das Kind begleitet, hat sie die anderen gut kennengelernt, außerdem schätzt sie den Betreuungsschlüssel, der höher ist als in den meisten anderen Krippen: Jeweils drei Fachkräfte und eine Praktikantin sind für eine Gruppe mit zehn Kindern da.

Um die Kinder kümmert sich jetzt ein 20-köpfiges Team.

Unter den insgesamt 18 Mitarbeiterinnen und zwei Mitarbeitern sind außer Erzieherinnen unter anderem auch Sozial- und Heilpädagogen, eine Psychologin und ein Pädagoge der frühen Kindheit. Bezahlt werden alle durch die Zuschüsse des Jugendamts nach dem Erziehertarif. Die meisten arbeiten Teilzeit, fünf auf 450-Euro-Basis.

Und dabei begann vor zehn Jahren alles ganz klein: Bis dahin lebte Simone Reich-Disch in einer WG in der Klarastraße im Stühlinger. Als ihre Mitbewohner auszogen, beschloss sie, sich als Tagesmutter in der Wohnung selbständig zu machen. Das war immer ihr Traum gewesen, davor hatte sie als Erzieherin und Heilpädagogin in einer integrativen Kita und in einer Krippe gearbeitet. Sie fand schnell fünf Kinder und finanzierte sich über die Elternbeiträge. Mit ihrem Überbrückungsgeld stellte sie eine Praktikantin ein.

Schon nach einem Dreivierteljahr mietete sie einen größeren Raum an der Egertenstraße in Haslach und machte dort mit nun acht Kindern und zusätzlich einer 400-Euro-Kraft weiter. Jetzt galt ihr Projekt als "Großpflegestelle", städtische Zuschüsse bekam sie aber noch nicht, weil der Raum keine eigene Toilette hatte, sondern die Toilette der Wohnung daneben benutzt werden musste. Erst ab September 2006, nachdem die Klara-Kinder zurück in den Stühlinger in die frühere Filiale der "Ökobank" an der Egonstraße gezogen waren, klappte es mit den Zuschüssen. Und als 2010 ein türkischer Kleiderladen an der Guntramstraße schloss, kamen dort neue Räume dazu, im Oktober 2013 folgte der Standort Rennerstraße. Seit Dezember 2009 bekommen Simone Reich-Disch und ihr Mann, der jahrelang ehrenamtlich die Verwaltung übernommen hatte und inzwischen seinen Job als selbständiger Informatiker auf 15 Stunden in der Woche reduziert hat, die Förderung als anerkannte Kinderkrippe. Die Klara-Kinder zählten damit als Institution, bei der auch der Umbau bezuschusst werden konnte. Simone Reich-Disch jobbte bis August 2007 noch als Hausaufgabenbetreuerin an Schulen, weil das Geld knapp war. 2007 und 2010 wurden außerdem ihre beiden Töchter geboren. Inzwischen stehen die Klara-Kinder auf einer sicheren finanziellen Basis, doch der Weg dahin war lang, bilanziert Simone Reich-Disch. Nötig waren nicht nur ihr eigenes Durchhaltevermögen, sondern auch das ihrer teils langjährigen Mitarbeiterinnen und ihres Mannes.


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